Dienstag, 12. Januar 2021

Marsch des Lebens“ in Stralsund für jüdische Opfer der NS-Zeit 08:00 11.02.2020 Ostseezeitung

Mit dem „Marsch des Lebens“, zu dem am 13. Februar aufgerufen wird, soll der jüdischen Opfer der NS-Zeit gedacht werden. Vor 80 Jahren sind die ersten Juden aus Deutschland deportiert worden – auch in Stralsund. Es ist auch eine Möglichkeit, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinander zu setzen.

Gegen das Vergessen. Gegen den Rassismus. Am 13. Februar wird in Stralsund zum „Marsch des Lebens“ aufgerufen. „Wir wollen ein deutliches Zeichen gegen den modernen Antisemitismus und für Israel setzen“, sagt Lorenz Sandhofe, der diesen Marsch mitveranstaltet – in Stralsund und in Anklam.


Anlass ist der 80. Jahrestag der ersten Deportationen von Juden aus Deutschland. „Leider gehörte Stralsund deutschlandweit zu den ersten Städten, von denen aus Juden deportiert und damit in den meisten Fällen in den Tod geschickt wurden“, erklärt Friederike Fechner von der Initiative zur Erinnerung an jüdisches Leben in Stralsund.

Jüdisches Leben am Sund

In der Hansestadt gab es vor der Zeit des Nationalsozialismus viel jüdisches Leben. Doch viele der jüdischen Bürger Vorpommerns wurden in der Nacht vom 12. zum 13. Februar 1940 nach Stettin zur Deportation gebracht, darunter auch 33 Stralsunder. Am Morgen des 13. Februar wurden sie mit dem Zug in das sogenannte Generalgouvernement deportiert. Von den 1100 damals Deportierten überlebten nicht einmal 20 den Holocaust.

„Mit unserem Gedenkmarsch wollen wir die Menschen auch dazu auffordern, sich mit ihrer ganz persönlichen Familiengeschichte auseinanderzusetzen“, sagt Lorenz Sandhofe. Denn das sei oftmals sehr unbequem, wenn man sich eingestehen müsse, dass Teile der Familie vielleicht nicht unbedingt Täter, aber in jedem Fall Dulder, Befürworter oder Wegschauer waren.

Den Menschen wieder ein Gesicht geben

Menschen wieder ein Gesicht zu geben und Familien ihre Wurzeln, das ist ein wichtiges Anliegen der Stralsunder Initiative. „Es ist wirklich gut, dass sich hier Menschen mit der Geschichte des jüdischen Lebens beschäftigen“, sagt Lorenz Sandhofe und Friederike Fechner ergänzt: „Wir sind dankbar, dass der ‚Marsch des Lebens‘ nun zum zweiten Mal auch in Stralsund stattfindet und wir das gut mit unserer Arbeit kombinieren können.“

Familienaufarbeitung würde auch zur Heilung beitragen, sagt Friederike Fechner, die in den vergangenen Jahren vor allem die Geschichte der jüdischen Stralsunder Familie Blach erforscht hat. Unter anderem wird bei der Gedenkveranstaltung Gaby Glassman zu Gast sein, die Enkelin der jüdischen Kaufmannsfamilien Blach und Joseph. Gemeinsam mit Dr. Toby Smith wird sie bereits am Mittwoch, 12. Februar, um 19 Uhr einen Vortrag in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde, Fährstraße 11, halten.

Toby Smith ist der Direktor der Wiener-Library in London, des umfangreichsten Forschungsinstituts über Antisemitismus und Holocaust in Europa. Musikalische Umrahmung gibt es an diesem Abend von der Klezmer-Band Querbeet.

Geschichte sichtbar machen

Der 13. Februar steht ganz im Zeichen des Gedenkens. Um 14.30 Uhr wird zu einem Stadtrundgang durch das jüdische Leben Stralsunds eingeladen, es führt Jörg Zink. Der „Marsch des Lebens“ beginnt um 17 Uhr an der Ecke Neuer Markt/Langenstraße. Von dort führt der Weg entlang der Langenstraße durch die Judenstraße und die Ossenreyerstraße zum Alten Markt. Dort bilden die Teilnehmer auf dem Platz einen Davidstern. Gegen 17.30 Uhr findet die Abschlussveranstaltung wieder in der Fährstraße 11 statt.

Neben Gaby Glassman und Toby Smith werden auch Stefan Haas, von der Bewegung „Marsch des Lebens“, der Landesrabbiner Yuriy Kadnykow und Dr. Sonja Gelinek, stellvertretende Bürgermeisterin, erwartet.

„In vielen Städten geht die Aufarbeitung der Geschichte oft von privaten Initiativen aus“, sagt Lorenz Sandhofe. „Da wünsche ich mir manchmal, dass sich eine Stadt positioniert, das hat schließlich noch mal ein ganz anderes Gewicht.“

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Veranstaltung vom 12.2.2020